Das Wort hat die Deutsche Sportjugend

Eine ganz große Enzyklopädie des Sports

Nun hat es Uli doch geschafft: Auf mehr als 1200 Seiten und viele Illustrationen hat er ein Nachschlagewerk über den Sport und speziell den Kinder- und Jugendsport in der DDR geschaffen, das einmalig ist. Man kann es eine Enzyklopädie nennen, die nichts auslässt und zu jedem Buchstaben des ABC das Wissen um den Sport und seine Strukturen erhellt und erweitert. Nach der friedlichen Revolution von 1989 durfte er auch über die Grenzen hinaus gucken und Begriffe, Richtlinien und Schlagworte mit denen der Bundesrepublik vergleichen und gegenüber stellen. Auch der Kinder- und Jugendsport im totalitären System vor 1945 wurde nicht ausgeklammert. Das ist viel mehr, als Google und Wikipedia uns auf den Datenautobahnen ins Haus und auf das Smartphone bringen können. Das gilt besonders für Gesetzte und Bestimmungen, Daten zu Sportarten und Sportverbänden, die kaum noch verfügbar sind.

Dr. Ulrich Wille konnte auf ein aktives und sportverbundenes Leben vor de Ruhestand zurückblicken und als Sammler und Jäger alles das zusammen tragen, was sonst dem Vergessen anheim gefallen wäre. Die Zeit und die Zukunft des Sports verändern sich täglich, wer schaut außer dem Historiker noch zurück und erinnert sich der DDR und den abertausenden von Sportbegeisterten, haupt- oder ehrenamtlich im DDR-Sport Tätigen? Mit dem Beitritt des DDR-Sports in den der Bundesrepublik ist ein Systemwandel eingetreten, der Biografien gravierend verändert, unterbrochen oder beendet hat. Im kapitalistischen Ausland war die kleine DDR als großes Sportland bekannt. Ihre Idole kamen über die Medien bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen in jedes Haus der Bundesrepublik. Aber ansonsten war man sich fremd. Über den Kinder- und Jugendsport wusste man wenig. Allenfalls bei Berichten über die Spartakiaden und die Deutschen Turn- und Sportfeste fielen Informationen ab.

Vielleicht waren wir West-Berliner, also aus Berlin (West) wie es offiziell hieß, die Ausnahme. In der Frontstadt des Kalten Krieges, dem Sammlungspunkt aller Geheimdienste, war Berlin – die Insel im Roten Meer – auch beim Wissen um die Nachbarn im Osten eine Ausnahme. Wir wussten auf jeden Fall besser Bescheid als die Westdeutschen, SED und FDJ existierten aufgrund alliierter Vorgaben mit ihren Anhängern, Dependancen und Tageszeitungen im Westteil, lebten also trotz Mauer mit uns zusammen. Die Berliner Jugendverbände, darunter die Sportjugend, klärten jedes Jahr hunderttausende von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die im Rahmen staatlich geförderter „Berlin-Begegnungen“ in unseren Teil der Stadt kamen, über die DDR auf. Dass wir nur sehr oberflächliches Wissen über den DDR-Sport angehäuft hatten, zeigt das nun vorliegende Werk. Zu kurz gesprungen? Sicher nicht, denn wer von den 17 Millionen DDR-Bürgern hatte ein abgeschlossenes Sportstudium und ein derartiges Wissen wie Uli Wille? Wer sich zukünftig mit dem DDR-Sport beschäftigen wird, der kann an dem jetzt vorliegenden Kompendium nicht vorbeigehen.

Die Sportjugend der Bundesrepublik Deutschland agierte seit der Gründung des Deutschen Sportbundes als eigenständiger Jugendverband. Sie beherzigte die Anordnungen der Alliierten, dass nach 1945 keine Jugendorganisationen mehr von parteipolitischen oder autoritären „Erwachsenenverbänden“ wie in der Nazizeit abhängig sein durfte und sollte. Das `Jugendleben nach eigener Ordnung´ war Ausdruck neuer, bisher unbekannter demokratischer Strukturen. Diese Sportjugend trieb nicht nur Sport, sie war „soziales Gewissen“ der im Deutschen Sportbund vereinten Sporttreibenden aus den früheren Lagern der bürgerlichen und religiösen Sportverbände und des 1933 zerschlagenen Arbeitersports. Mit dem Austritt aus dem Bundesjugendring im Jahr 1969 übernahm die DSJ eigene Verantwortung auch für Themen der Jugendpolitik und Jugendhilfe. Sie emanzipierte sich gegenüber konkurrierenden Jugendverbänden, die den Sport – damals – nicht als Jugendarbeit ansahen und dessen Missbrauch in der Nazizeit voran stellte.

So war die Deutsche Sportjugend auch mehr Ansprechpartner der FDJ als des DTSB, wenn es um „Wandel durch Annäherung“ und erste Schritte zur Zusammenarbeit nach politischem Tauwetter und Ostverträgen gingen. Das geschah, obwohl die Bundesrepublik als kapitalistisches Ausland und wir West-Berliner als Exoten eines ‚dritten’ Staates angesehen wurden. Der Umgang miteinander hatte Höhen und Tiefen, die Zeitungsarchive berichten von härtesten politischen Auseinandersetzungen und persönlichen Angriffen, übrigens gegenseitig. Im nach vielen Mühen ausgehandelten „Deutsch-Deutschen Sportkalender“ ging es ausschließlich um Begegnungen im Spitzensport, nie um das Begegnen von sporttreibenden Kindern und Jugendlichen. Auch ein Grund, wenig voneinander zu wissen.

Die friedliche Revolution 1989 hatte alles verändert. Mit dem Beitritt der DDR-Sportverbände zu denen der Bundesrepublik war die DDR-Geschichte abgeschlossen. Es grenzt an ein Wunder, das zuvor sich die Sportjugend der BRD und die der DDR verbündet und vereinigt haben. Das ist eine Erfolgsgeschichte im neuen Miteinander. Viele Kommunalpolitiker aus den nun Neuen Bundesländern sind davon überzeugt, dass es ohne den Sport und das Vorbild der Sportjugend nicht möglich gewesen wäre, an junge Menschen nach Zusammenbruch der FDJ und der Pionierorganisation heranzukommen und der Jugendhilfe auf die Sprünge zu helfen. Wie in den fünfziger Jahren in der Bundesrepublik, gab es auch im Ostteil Berlins und den sich neu gründenden Ländern Stimmen, mit der bevorzugten Förderung des Sports Schluss zu machen und die neu gegründeten Sportverbände und ihre Jugend in die Schranken zu weisen. Dem haben wir durch Handeln und vorbildlicher Arbeit widersprechen können.

Uli Wille hat als Leiter der Berliner Außenstelle der Deutschen Sportjugend und Mitglied der zeitweiligen Ad-hoc-Kommision für die Neuen Bundesländer zur Anerkennung der Sportjugend beigetragen. Er hat seine beruflichen Erfahrungen im früheren DTSB mit Überzeugungskraft in den Dienst der neuen Sportjugend gestellt. Als der Ruhestand kam, sah er es als quasi kriminalistische Herausforderung an, alles was in der alten DDR unter Sport in Begriffen, Strukturen, Richtlinien, Veranstaltungen und Chronologie subsummiert werden konnte für die Nachwelt und die Forschung zusammen zu tragen und zu erhalten. Das ist gelungen, er und wir können damit zufrieden sein. Die vorliegende Enzyklopädie lässt nichts aus. Sport, Schule und Bildung stehen im Mittelpunkt eines breiten Netzwerkes von Angeboten und vom Staat vorgegebenen Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Dass durch das von demselben Staat verordnete Doping von Minderjährigen einschließlich eines unsäglichen Leistungsdrucks diese humanitären Absichten korrumpiert wurden, muss von ehemaligen Akteuren auch heute noch verarbeitet oder zumindest zur Kenntnis genommen werden.

Wir zeugen Uli Wille Dank und Anerkennung für diese wahrhaft großartige Arbeit.

Peter Hanisch
1. Vorsitzender
der Deutschen Sportjugend
von 1982 bis 1990
Manfred Nippe
Hauptamtliches Vorstandsmitglied
der Sportjugend Berlin
von 1970 bis 2000